Montag, 24. Juni 2013

Epilog - Wenn einer eine Reise tut...

...dann kann er was erzählen. Heute vor einer Woche kam ich in die Schweiz zurück. Dank der Hitzewelle liess mich wenigstens das Klima nicht im Stich und ich konnte mich immerhin wettermässig langsam an die Eidgenossenschaft gewöhnen. Doch mittlerweile hat sich bekanntlich auch die Hitzewelle längst wieder in Luft aufgelöst, und das Wetter ist gewohnt trist. Am Flughafen wurde ich von der Familie in Empfang genommen und habe in dieser Woche auch die restlichen "vermissten" Personen nach sechsmonatiger Abwesenheit wieder einmal gesehen. Diverse Trefen mit Freunden und Familie. Viele Fragen wurden mir gestellt, doch nur wenige konnte ich in der erhofften Form beantworten. Zu vielschichtig sind die kulturellen Unterschiede, zu frisch die Erinnerungen.

"Auf Reisen gleichen wir einem Film, der belichtet wird. Entwickeln wird ihn die Erinnerung." Max Frisch

An meinem zweiten Tag in der Schweiz wurde ich während meines ersten Migros-Aufenthalts seit sechs Monaten Zeuge einer "Petersilien-Krise". Eine Frau wollte eine Packung Petersilien kaufen, der Scanner an der Kasse konnte das Preisschild aber nicht einlesen. Nachdem sich die zwei anwesenden Verkäufer während rund einer Minute beraten und Krisenmanagement betrieben haben, wurde es der Frau langsam zu bunt und sie fing an zu "gifteln". Doch damit nicht genug. Denn die hinter der Kundin wartende Frau startete, nachdem auch sie die Geduld verlor, eine Verbalattacke in Richtung der immer verzweifelteren Kundin, worauf zwischen den beiden Damen eine Diskussion entbrannte. Irgendwann fand der Verkäufer aber doch noch eine Möglichkeit die Petersilien zu verbuchen und konnte somit die durchaus angespannte Lage glücklicherweise entschärfen. Als ich im Tram dann noch höre, wie sich eine ältere Dame über das Tram beschwert, es hat innert zwei Tagen bereits zum zweiten Mal satte zwei Minuten Verspätung, weiss ich definitiv, dass ich wieder daheim in der Schweiz bin. Überall werde ich komisch angeschaut, wenn ich meine Gegenüber in einem Gespräch anlächle oder mich allgemein freundlich verhalte. Ich habe mich in den vergangenen Monaten an die südländische Offenheit und Warmherzigkeit gewöhnt. Der Versuch, mit den Menschen im gleichen Lift oder mit einem Verkäufer an der Kasse ein lockeres Gespräch zu führen, stösst hier auf Unverständnis oder ungläubiges Staunen.

"Wer nie weggegangen ist, versteht die Heimkehrenden nicht." Walter Ludin

Ich will damit aber keinesfalls sagen, dass die Schweiz nur schlechte Seiten hat. Im Gegenteil sogar. Der Grossteil unserer Gesellschaft hat keine Ahnung, wie gut es uns geht. Sie haben keine Ahnung davon, dass die meisten meiner kolumbianischen Freunde am Abend in die Universität müssen, damit sie am Tag arbeiten können um horrend hohe Gebühren zu bezahlen, die sich die wenigsten Schweizer leisten könnten. Sie haben keine Ahnung davon, was wirkliche Armut ist oder dass man abends ein Taxi per Telefon bestellen muss. Nicht aus Bequemlichkeit, sondern damit man im Falle eines Überfalls durch den Fahrer dessen Namen herausfinden könnte. Eine solche Reise und das Eintauchen in komplett andere Kulturen lassen einen auch Dinge vermissen, über die man vorher noch nie nachgedacht hat. Ich kann hier wieder unbesorgt WC-Papier herunterspülen und muss dabei nicht befürchten, dass ich so das ganze Abwassersystem des Wohnblocks verstopfe. Nachts auf dem Nachhauseweg ist der ausschlaggebende Faktor bei der Wahl zwischen Taxi und Fussmarsch nicht die Sicherheit sondern nur die Faulheit. Trinkwasser gibt es an jeder Ecke und auch an unserem öffentlichen Verkehr gibt es im Grossen und Ganzen rein gar nichts auszusetzen. Zudem, dessen blosse Existenz ist schon ein Pluspunkt. Ich kann mich wieder mit jemandem verabreden und mir sicher sein, dass diese Person auch tatsächlich zur genannten Zeit am genannten Ort ist. Die kleinen Dinge eben, an denen wir unseren Lebensstandard messen.

"Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat haben." Theodor Fontane

In den letzten sechs Monaten habe ich vieles gelernt. Ich habe Freunde aus aller Welt gewonnen und bin sicher auch persönlich gewachsen. Ein gewisses Mass an Durchhaltewille und Zielstrebigkeit ist unabdingbar, vor allem wenn man alleine reist. Die "Re-Helvetisierung" braucht sicher noch eine Weile, aber sicherlich schon bald werde auch ich wieder im Tram oder Zug sitzen und mit ernster Mine den Kontakt zu meiner Umwelt vermeiden. Zugegeben, gewisse neugewonnene Züge und Verhaltensweisen will ich eigentlich gar nicht aufgeben.

Was mich nach wie vor erstaunt, ist, wie wenig wir Europäer von Südamerika wissen. Ein weit entfernter Kontinent, der für uns eine eigene Welt darstellt und es bis zu einem gewissen Grad auch ist. Schlagworte wie Armut, Kriminalität und AIDS kommen uns in den Sinn, wenn wir an Südamerika denken. Dass diese Kulturen aber, halt in einer anderen Art und Weise, genau so hochentwickelt sind wie wir und uns in gewissen Punkten sogar weit überlegen sind, daran kann und will bei uns niemand denken. Man kann sich schlichtweg nicht vorstellen, wie das Leben in Lateinamerika spielt, weit abseits von Nordamerika und vielleicht noch Südostasien, das man von den Ferien kennt. Nein, Südamerika ist anders. Auf eine verwirrende, manchmal verstörende und trotzdem wunderbare Art. Es sind nicht unbedingt die Relikte aus vergangenen, längst erloschenen Zeiten. Es sind die Lebensfreude, die Leidenschaft und die unheimliche Gastfreundschaft, die jedes einzelne Individuum ausstrahlt. Das pulsierende und impulsive Leben, das macht Südamerika so faszinierend. Es ist eine Kultur, die man nicht einfach so verlassen kann. Zu intensiv ist sie, als dass man sie nach der Ankunft zu Hause sofort vergessen könnte.

"Der Sinn des Reisens besteht darin, unsere Phantasien durch die Wirklichkeit zu korrigieren. Statt uns die Welt vorzustellen, wie sie sein könnte, sehen wir sie wie sie ist." Samuel Johnson

Nun bin ich also wieder daheim und der Blog kann somit mit gutem Wissen abgeschlossen werden. Es bleibt mir nur mehr, mich bei euch für die Treue zu bedanken. Die etwas mehr als 3'600 Aufrufe meiner Seite, das sind etwa 20 pro Reisetag, finde ich nach wie vor erstaunlich und zeigen mir, dass sich die (nicht immer einfache) Schreibarbeit definitiv gelohnt hat.

In diesem Sinne wünsche ich euch alles Gute und hoffentlich viel Spass auf eurer nächsten Reise!

Machts gut,
Marco

Dienstag, 18. Juni 2013

14.-17. Juni 2013 - Miami



Irgendwann fliegen wir doch noch nach Miami und landen mit drei Stunden Verspätung am frühen Abend. Am Flughafen werde ich von John abgeholt. Mit ihm ging ich in Bogotá in die Schule, er wohnt hier, und somit kann ich wieder von "Insidererfahrung" profitieren. Sofort fällt auf, dass hier vor allem Spanisch gesprochen wird. Die Kubaner haben die Stadt vor Jahrzehnten praktisch eingenommen und ziehen, zumindest im Hintergrund, die Fäden in allen wichtigen Angelegenheiten. Allgemein ist Miami (Wikipedia Miami) das amerikanische Tor zu Lateinamerika und so gibt es Viertel wie "Little Havanna" oder das Kolumbianerviertel. John zeigt mir während einer kurzen Rundfahrt Downtown, bevor ich im Hotel in Southbeach einchecke.

Miami Beach (Wikipedia Miami Beach), die Stadt der Reichen und Schönen. Hier mietet man als Mann am Wochenende für 4'000 Schweizer Franken pro Tag einen Lamborghini oder Ferrari, um der (Frauen)welt zu imponieren. Diese trägt dafür ausschliesslich Designerkleider und empfindet alles andere als nicht dem Status entsprechend. Ist man weder reich noch schön, hat man in Southbeach nichts verloren. Miamis Frauen sind dafür bekannt, einen Mann innert den ersten fünf Minuten eines Gesprächs nach der Marke seines Autos zu fragen. Die Gesellschaft hier definiert sich ausschliesslich durch zwei Faktoren: Reichtum und Status. Was sich diametral von der Schweizer Mentalität unterscheidet, lässt sich auch mit Südamerika nur begrenzt vereinbaren. Ich werde gefragt, wieso ich als Schweizer denn keine Rolex trage, wenn ich es mir als reicher Mensch (jaja, der war gut) doch leisten könne. Ich entgegne, dass ich, nur weil ich kann, meinen Reichtum ja nicht zeigen müsse. Dies stösst jedoch hier wiederum auf totales Unverständnis. Mit unserer anerzogenen Bescheidenheit geht man in dieser glamourösen Welt schlichtweg unter. So interessant und faszinierend Miami Southbeachs High-Society ist, so abstossend ist sie irgendwie auch. Dieser Ort ist der Inbegriff des pervertierten Kapitalismus, welchen wir in der westlichen Welt pflegen. Andererseits ist es aber auch beruhigend zu sehen, dass wir in Europa (noch) nicht völlig den Boden unter den Füssen verloren haben und trotz allem Reichtum noch eine gewisse Bodenständigkeit aufweisen. In Miami sucht man diese völlig vergebens. Interessant ist, dass man als Schweizer von Beginn an über einen sehr hohen Status verfügt. Sollte ich also dennoch einmal hier Leben, der Grundstein wäre gelegt ;-)

In meinen zwei Tagen Aufenthalt mache ich eine Bustour durch Southbeach und Downtown. Eigentlich würde ich mir gerne noch den riesigen Zoo ansehen, doch dieser ist ohne eigenes Auto praktisch nicht zu erreichen. Allgemein darf der öffentliche Verkehr hier mit gutem Gewissen als wirklich schlecht ausgebaut, respektive inexistent bezeichnet werden. Es gibt zwar vereinzelte Busse, ein durchgehendes Netz sucht man aber vergebens und so ist man ohne eigene vier Räder aufgeschmissen. Wie man mir erzählt, sind dafür vor allem die kubanischen und jüdischen Autohändler-Dynastien verantwortlich, welche sich durch ihre Lobby seit Jahrzehnten aktiv gegen den Ausbau des öffentlichen Verkehrs einsetzen. Die Umwelt bedankt sich dafür herzlich...

Hier noch einige Bilder:

Typische Strasse in Miami Beach

Der einzige Burger King auf der Welt, der Alkohol ausschenkt

Eine der zahlreichen, mit Villen besetzten Inseln zwischen Downtown und Miami Beach

Das erste Hochhaus Miamis





Am allerletzten Abend meiner Reise treffe ich mich nochmals mit John, und er zeigt mir Ausgehviertels ausserhalb von Southbeach. Diese sind zwar etwas mehr down-to-earth, aber trotz allem vermisse ich irgendwie unsere Bescheidenheit.

Nach einer relativ kurzen Nacht fahre ich nach dem Mittagessen ein allerletztes Mal an den Flughafen. Ich habe durchaus gemischte Gefühle. Einerseits freue ich mich aufs Heimkommen, auf das Wiedersehen mit Familie und Freunden. Auf der anderen Seite habe ich die Krise zwar grösstenteils überwunden, bin aber vom Reisefieber bei Weitem nicht geheilt und möchte meinen Lebensstil nicht gegen denjenigen tauschen, der vom öden Alltag geprägt ist. Dennoch entschwinde ich Amerika am späten Nachmittag und nehme die rund 9'000 Kilometer in die (wenigstens sommerliche) Schweiz unter die Flügel.

PS: Sobald ich Zeit und die Reise verdaut habe, werde ich den Blog mit einem letzten, reflexiven Artikel über die Reise schliessen. 

Sonntag, 16. Juni 2013

11.-13. Juni 2013 - La Paz



Um halb drei Uhr morgens landen wir endlich in La Paz. Während des ersten Fluges nach Bogotá hat es meine Sitznachbarin tatsächlich fertig gebracht, eine ganze Ladung Puderzucker über meine Beine zu streuen. In La Paz ist es mit einem Grad Celsius arschkalt empfindlich kühl, das Anziehen kurzer Hosen war nicht sehr weise. Nach den gefühlt ewig andauernden Einreiseformalitäten nehme ich ein Taxi zum Hostel. Dort habe ich bereits im Voraus mit der Bemerkung reserviert, dass ich in den frühen Morgenstunden ankommen werde. Der Türsteher öffnet mir zwar die Türe, sagt aber, dass ich mich noch ein paar Minuten gedulden müsse. Der Receptionist müsse zuerst noch aufstehen. Aha. Nach einer geschlagenen Viertelstunde erweist mir besagter Herr dann die Ehre. Was er mir aber eröffnet, ist alles andere als toll; ich hätte bei der Reservation einen Fehler begangen. Da ich um diese Uhrzeit ein Bett haben wolle und der offizielle Check-In aber erst ab zwei Uhr nachmittags möglich sei, hätte ich bereits für den Vortag reservieren müssen. Meine Argumentation, dass ich ja extra gesagt habe, um welche Zeit ich ankomme, lässt er nicht gelten. Er könne mir jetzt nicht weiterhelfen, das Hostel sei für die Nacht voll. Was er aber dann sagt, lässt mich fast die Wände hochgehen: Es gäbe in unmittelbarer Nähe genug andere Hostels, ich solle mich doch dort für diese Nacht umsehen. Ich kann mich gerade noch beherrschen, nicht über den Tisch zu hechten und ihn zu erwürgen. Das Hostel begeht offensichtlich einen Fehler und ich soll das um mittlerweile vier Uhr morgens ausbaden. Aller Ärger bringt aber nichts, ich finde zum Glück ein anderes Bett. In diesem Moment nehme ich mir vor, morgen meine Reservation zu stornieren und mich beim Manager zu beschweren. Nach ein paar Stunden Schlaf realisiere ich aber, dass das schlussendlich alles nichts bringt. Nur wegen meiner Beschwerde wird sich die Arbeitsweise und -kultur nicht verändern, und so lasse ich es sein.

In den nächsten zwei Tagen mache ich vor allem eines: nichts. Die Luft ist draussen, und ich habe mich innerlich von Südamerika verabschiedet. Auch wenn Bolivien noch zum selben Kontinenten gehört, es ist nicht Kolumbien und von dort wollte ich nicht weg. Und daran werde ich auch noch permanent erinnert, denn ich treffe hier den wohl einzigen Kolumbianer in Bolivien. Das Hostel verlasse ich ein einziges Mal, um an meinem letzten Abend in Südamerika noch einmal ein spottbilliges Steak zu essen.

Eine lustige Anekdote möchte ich hier aber dennoch zum besten geben:
Ich mache Bekanntschaft mit einem Kanadier in meinem Alter. Dieser erzählt mir, dass er bereits vor ein paar Tagen einen anderen Schweizer kennenlernte und jener einen ganz komischen Namen hatte. "Biit". Ich frage, ob er etwa "Beat" meine, denn dieser würde Englisch ausgesprochen ja auch so klingen. Er bestätigt dies und fragt mich, ob ich ihn denn kenne, wenn er doch auch aus der Schweiz komme. Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen und erkläre ihm, dass wir trotz allem fast 8 Millionen sind und ich somit leider nicht alle Eidgenossen kenne. Wirklich begreifen tut er das nicht. Dies zeigt eindrücklich, was für Vorstellungen (viele) Nordamerikaner von uns haben. Übrigens, Spanien ist laut der Meinung vieler eine Provinz in Mexiko...

So vergehen meine zwei Tage Aufenthalt hier glücklicherweise eher schnell. Mein Flug nach Miami verlässt La Paz planmässig um halb sieben Uhr morgens, weshalb ich nach meinem letzten Abend hier bereits um halb vier Uhr aufstehen muss. Andere kommen um diese Zeit aus dem Ausgang zurück. Am Flughafen wird mir eröffnet, dass mein Flug leider drei Stunden Verspätung habe und mit einem Abflug vor neun Uhr nicht zu rechnen ist. Da hat sich das frühe Aufstehen doch gelohnt!

Donnerstag, 13. Juni 2013

3.-10. Juni 2013 - Barranquilla und Palomino



Barranquilla. Die wichtigste Hafenstadt Kolumbiens. Karibikküste. Permanent 35 Grad und beinahe 100% Luftfeuchtigkeit. Viel zu unternehmen gibt es nicht und auch wenn; das Klima macht sämtliche Erkundungslust sofort zunichte. So könnte man die Arbeitswoche, die ich bei einer Kollegin in Barranquilla (Wikipedia Barranquilla) verbringe, grob zusammenfassen. Es ist mir schlichtweg zu heiss und zu schwül. Auch meine Kollegin, sie ist Spanierin und arbeitet wegen der Krise in Spanien seit einem halben Jahr hier, sieht das so. Man gewöhne sich einfach nie an dieses Klima.

Für das Wochenende ist ein Ausflug nach Palomino (Wikipedia Palomino) vorgesehen. Das Stranddörfchen befindet sich an der Grenze zum Parque Tayrona. Palomino ist für seinen rund 10 Kilometer langen Sandstrand bekannt. Da Silvia aber bis am Freitag Nachmittag arbeiten muss, fahren wir an diesem Abend nur bis nach Santa Marta und legen in Taganga einen Zwischenstopp ein. Taganga kennen wir beide bestens, doch mittlerweile herrscht nicht mehr Hochsaison und das einst touristische Dorf ist praktisch leer, respektive es wird nicht mehr von Touristen sondern praktisch ausschliessend von Hippies bevölkert. Irgendwie nicht mehr so toll wie auch schon. Trotz allem machen wir uns einen gemütlichen Abend am Strand. Am nächsten Morgen verlassen wir Taganga und nehmen ein (extrem unbequemes) Collectivo nach Palomino. Nach zwei Stunden Fahrzeit kommen wir endlich an und legen die 20 Minuten Fussmarsch an den Strand zurück. Im Hostel beziehen wir die Hängematten und machen uns auf einen ausgedehnten Strandspaziergang. Dank der Nebensaison ist die ganze Region wie ausgestorben; die meisten der teuren Beach Resorts sind derzeit geschlossen, der wunderschöne Strand ist menschenleer. Welcome to Paradise! Auch zwei Flussmündungen hat es in unmittelbarer Nähe, die Landschaft erinnert extrem an Jurassic Park. Wenn es irgendwo auf dieser Welt Dinosaurier gibt, dann definitiv hier. Ich Idiot versäume es aber während des ganzen Wochenendes, Bilder zu machen und muss deshalb auf Google zurückgreifen:


Am späten Nachmittag, stösst noch Julian, ein Freund und Nachbar von Silvia, zu uns. Er wollte das verlängerte Wochenende, der nächste Montag ist ein Feiertag, eigentlich in Santa Marta verbringen, hat sich aber kurzfristig zu unseren Gunsten umentschieden. 

Nach dem Nachtessen wird mir plötzlich bewusst, dass ich einer Woche nach Hause gehe. Von diesem Moment an wird sich mein Leben komplett verändern, und ich tauche wieder in den grauen Alltag ein. Kein Strand mehr, keine fremden Kulturen und vor allem kann ich nicht mehr einfach weiterziehen, wenn es mir an einem Ort nicht mehr gefällt oder ich die Nase voll habe. Man hat wieder gewisse Erwartungen an mich, und ich muss oder soll mich Konventionen fügen. Diese Erkenntnisse treffen mich unerwartet und sind ein harter Schlag. Dazu kommt, dass ich Kolumbien (erneut) verlassen muss. Dieses Land hat es mir wirklich angetan, ich habe für einen kurzen und schmerzlosen Abschied viel zu viel erlebt. Ich werde von meinen Gefühlen überwältigt und bin damit völlig überfordert. Für den Rest des Abends und den nächsten Tag, wir fahren am Abend zurück nach Barranquilla, bin ich nicht gerade als gute Gesellschaft zu bezeichnen. Meine Laune hat den absoluten Tiefpunkt erreicht. Ich brauche vor allem Zeit für mich alleine und kann dafür glücklicherweise auf mehr als genug Verständnis zählen.

Am Montag ist es schliesslich so weit. Es ist Zeit zu gehen, und ich kann nichts daran ändern. Das Zusammenpacken meiner Sachen versuche ich so lange hinauszuzögern wie irgendwie möglich. Doch alles hilft nichts, irgendwann muss ich das Taxi an den Flughafen nehmen. Am Flughafen angekommen sehe ich einen Adidas Shop, der Fussball-Trikots der kolumbianischen Nationalmannschaft verkauft. Aus lauter Frust kaufe ich mir eines ohne lange zu überlegen. Männliches Frustshoppen quasi. Ich besteige das Flugzeug nach Bogotá. Eine elftstündige Reise steht mir bevor, ich fliege über Kolumbiens Hauptstadt und Lima nach La Paz.

21. Mai - 3. Juni 2013 - Bogotá und Medellín



Was kann ich über diese Zeit berichten? Es ist mittlerweile meine 6. Woche in Bogotá und mein dritter Aufenthalt in Medellín. Nach wie vor gefallen mir diese Städte sehr gut, und auch mein Vater findet zumindest an Medellín Gefallen (etwas anderes ist auch schlichtweg unmöglich). Ich zeige ihm in seiner Woche in Kolumbien die beiden Städte, so gut ich kann. Unter anderem besuchen wir in Bogotá den Monserrate und in Medellín die legendäre Rooftop-Bar, welche nach wie vor als Geheimtipp gilt.

In meiner zweiten Woche in Bogotá, mein Vater ist mittlerweile zurück in die Schweiz geflogen, beschäftige ich mich intensiv mit Online Poker und dem Treffen von Freunden. An meinem letzten Abend in Kolumbiens Hauptstadt, Melancholie pur, lädt mich Jorge an die Geburtstagsparty des Ehemanns seiner Cousine ein (ja ich weiss, kompliziert). Einmal mehr bin ich die Hauptattraktion, man will alles über mich und von mir wissen. Man ist sich fremd, und trotzdem gehöre ich irgendwie zur Familie. Der Alkoholkonsum steigt kontinuierlich, wie es an kolumbianischen Festen so üblich ist. Jede und jeder versucht mich abzufüllen, einmal mehr bin ich froh um meine Trinkfestigkeit. Um drei Uhr morgens realisiere ich, dass es langsam Zeit wäre, mich auf den Heimweg zu machen. Denn schon in ein paar Stunden muss ich den Flug nach Barranquilla erwischen und vorher noch meine ganzen Sachen zusammenpacken. Es sieht nach einem anstrengenden Morgen aus...

Abendstimmung während der Regenzeit